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Bremse oder Turbo: Beeinflussen Vornamen die Karriere?

© iStock, gpointstudio

Heute heißen unsere Kinder Josephine, Leopold, Maximilian oder Ferdinand. Zeigt sich in der Auswahl der Vornamen das Streben der Mittelschicht, Karrierewege zu ebnen?





Der Vornamen-Code

So vieles ist bedeutungslos – Vornamen gehören nicht dazu. Denn ob ein Mädchen Charlotte oder Chantal oder ein Junge Justus oder Justin heißt, sagt über deren Elternhäuser allerlei aus. Neben dem Bestreben, sich von anderen abzugrenzen, stehen Vornamen für besondere Werte und für den individuellen sozialen Status.

Lange schon hat die Sozioonomastik, die soziologische Namensforschung, erkannt, dass unsere Vornamen bedeutenden Einfluss darauf haben, wie uns der überwiegende Teil der Mitmenschen wahrnimmt.

Das ist der Grund, weshalb zwischen Maximilian und Kevin Welten liegen.



Kevin: eine Diagnose

Erziehungswissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler aufgrund der jeweiligen Vornamen entweder positiv oder negativ sehen. Während Angelina, Kevin, Maurice und Chantal eher leistungsschwach und verhaltensauffällig wahrgenommen werden, gelten Maximilian, Sophie und Alexander als leistungsstark und brav - eindeutig auch unabhängig von ihren tatsächlichen Leistungen und ihrem Verhalten.

Andererseits waren die genannten Untersuchungen nicht unumstritten. Denn sie beruhten auf simplen Onlineumfragen. Aufsehen erregten sie trotzdem – nicht zuletzt, weil sie Chantal und Kevin zu namensgewordenen Symbolen für eine Unterschichtzugehörigkeit gemacht hatten.

Die Randnotiz einer Befragten: "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose", wurde in Kreisen, die ihr Kind nie und nimmer so nennen würden, zum geflügelten Wort.

Maximilian und Alexander: klug und konservativ

Sozialpsychologen diagnostizieren, dass mit Ende der 1960er Jahre eine Zeit des Anything-goes endete. Vornamen stellten danach immer mehr die jeweilige Schichtabhängigkeit dar. Heute wählt man deshalb mit Bedacht häufig traditionelle Namen. So tummeln sich Josefines, Leopolds und Maximilians in den Krabbelgruppen der Kindergärten besserer Wohngegenden. Mit Anna, Sarah und Hannah sind auch die Mädchenvornamen klassisch-unverfänglich.

Sucht hier etwa eine verunsicherte Mittelschicht nach Haltung und Halt?

Der Komplex

Die Sprachwissenschaft stellt fest: Die Auswahl des Vornamens ist eine Statusfrage. Damit werden Reviere abgesteckt.

Andererseits erklärt die simple Schichtzugehörigkeit nicht vollständig, warum Eltern ihren Kindern ganz bestimmte Vornamen geben. Dafür ist die Namensgebung zu komplex – denn sie stiftet stets eine Identität. Nicht umsonst sagt man: Ich bin Emil. Und selten: Ich heiße Emil.

Eltern wollen bei der Auswahl der Vornamen Individualität mit Normalität verbinden. Dabei wollen sie allerdings auch nicht aus dem Mainstream herausragen. Deshalb sind neutrale Namen wie Anna, Felix, Lukas und Hannah so beliebt.



Fantasy & TV-Serien

Studien zeigen auch, wie das Ausleben gefälliger Geschmacksurteile bei der Auswahl der Vornamen sogar einen Teil zur Entstehung sozialer Schichten beiträgt.

Dazu kommen Religion, politische Gesinnung und gesellschaftlicher Status – alles beeinflusst die Namensgebung. Womöglich weniger gebildete Zeitgenossen würden ihre Sprösslinge wohl lieber nach Filmstars und Popsternchen nennen. Infrage kommen auch Namen beliebter Figuren aus Fernsehserien und Fantasienamen.

Akademiker bevorzugen demgegenüber eher Namen aus der griechischen Mythologie - etwa Hermes oder Helena.



Statussymbole

Für Chantal und Kevin sind ihre Vornamen weder eine soziale Starthilfe noch sind sie Türöffner bei diversen Bewerbungen in ihrem späteren Leben. Sie sind Bremse und nicht Turbo.

Die Sicht auf das eigene Kind spielt die bedeutendste Rolle:



Seinen Vornamen nach einem Serienhelden oder einem Rockstar auszuwählen, zeugt von immenser Kurzsichtigkeit. Diese Eltern sehen ihr Kind als Objekt. Es stellt ihren eigenen, momentanen Status dar – genauso wie eine Markenkleidung.

Der Name als Bekenntnis

Nachgewiesen ist, dass Vornamen schon in unserer Geschichte die politische Haltung des Elternhauses darstellten.

In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts waren nicht nur Gudrun, Uta oder Siegfried Synonyme einer Denkweise – Adolf war damals allemal das Substrat einer Geisteshaltung.



Der Wink

Mit Vornamen gibt man einen deutlichen Wink – auf die soziale Stellung und sogar auf die politische Orientierung. Weil die Wirkung von Vornamen einkalkuliert worden war, heißen Sprösslinge guter Kinderstuben Sophie, Konrad oder Anna.

Zudem will die schrumpfende Mittelschicht auch mit der Namenswahl Sehnsucht nach gesellschaftlicher Übersichtlichkeit und Aufstiegsstreben dokumentieren: Maximilian und Marie-Theres sollen dabei der Turbo sein …


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